Stadt Norderstedt: Beantwortung der Anfragen zum Solardorf Müllerstraße

von | Dez 10, 2016 | 1 Kommentar

Am 30.11.2016 hat die Stadt das erste Mal öffentlich und umfänglich über den aktuellen Stand vom sogenannten „Solardorf Müllerstraße“ berichtet. [Stellungnahme, Niederschrift] Im folgenden werde ich die einzelnen Absätze vorstellen und kommentieren:

Das sogenannte Solardorf Müllerstraße ist zum heutigen Zeitpunkt nahezu fertig gestellt (letztes Haus im Bau, Anzahl dann: 21). Die Realisierungsphase wurde begleitet von einer Reihe von Unstimmigkeiten. Diese haben Berichterstattungen in der Presse und Nachfragen durch die Politik nach sich gezogen. Aufgrund anhängiger Gerichtsverfahren in dieser Sache war die Verwaltung bisher nicht in der Lage, abschließend über Details und Ergebnisse in dieser Sache zu berichten. Dies soll mit dieser Mitteilungsvorlage nachgeholt werden.

Das Solardorf ist am 25.04.2013, Datum der Rechtskraft des zugrundeliegenden Bebauungsplanes Nr. 278, mit sehr ambitionierten Zielen gestartet. In der Anlage dieser Vorlage befindet sich ein Auszug der Bebauungsplanbegründung. Im Kapitel Energiekonzept sind die wesentlichen Komponenten des Konzeptes dargestellt, die zusammen genommen den zukunftsweisenden und prämierten Modellcharakter ausmachen.

Da die Inhalte in der Begründung zum Bebauungsplan und nicht im Bebauungsplan selbst stehen, sind diese rechtlich nicht bindend. Wären sie rechtlich bindend, hätten sie nicht ein zweites Mal in den Grundstückskaufverträgen verankert werden müssen.

Im Rahmen der Umsetzung des Energiekonzeptes haben sich einige der Konzeptbausteine als schwierig erwiesen. Zu technischen Komplikationen sind rechtliche Probleme hinzugekommen. Bereits verhältnismäßig geringe Widerstände bei der Umsetzung mancher Konzeptbausteine haben bei den meisten zukünftigen Hausbesitzern und Nutzern des Baugebietes eine Verweigerungshaltung erzeugt, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt das gesamte Konzept in Frage stellte.

Wenn zentrale Bestandteile wie ein Smartgrid, ein rückladefähiges Elektroauto, eine Wandladebox für Elektroautos oder ein Smarthome entweder nicht auf dem Markt verfügbar sind, in Deutschland nicht zugelassen sind oder von der Projektgesellschaft als optional deklariert werden, stellt sich berechtigt die Frage, aus welchem Grund große Summen von privatem Geld in nur wenige verfügbare Bestandteile investiert werden sollen, wenn nur die Gesamtheit einen Mehrwert gebildet hätte?

Die Verwaltung räumt ein, in dieser Frage etwas gutgläubig davon ausgegangen zu sein, dass sich die zukünftigen Eigentümer mit den ökologischen Zielen des Baugebietes identifizieren und die Umsetzung des Konzeptes anstreben. Die Verwaltung wird in zukünftigen Projekten sehr viel genauer darauf schauen, welche Maßnahmen überhaupt vollkommen rechtssicher festgelegt werden können.

Jeder der Eigentümer hat wissentlich in das innovative Konzept investiert und war an einer Umsetzung des Konzeptes stark interessiert! Anstatt zu prüfen, was man alles „noch rechtsicherer“ gestalten kann, sollte viel mehr darauf geachtet werden, ein Konzept aus technisch verfügbaren Bestandteilen zu planen und zu realisieren!

Konzeptbaustein Solarenergie: Der Bebauungsplan enthält eine Festsetzung zur Errichtung von Solaranlagen. Selbst diese eigentlich, da durch Satzung geregelt, eindeutige Vorgabe, haben in der Anfangsphase nicht alle Bauherren erfüllt. Auch trotz wiederholten Ermahnens durch die Stadt sind heute nicht alle Gebäude entsprechend ausgestattet (19 von 21 Wohneinheiten verfügen über eine PV-Anlage). Da die Stadt hier eine öffentlich-rechtlich bindende Handhabe hat, wird davon ausgegangen, dass kurzfristig alle über die geforderten PV-Anlagen verfügen werden.

Bis auf einen Eigentümer verfügen alle über eine Photovoltaikanlage.

Konzeptbaustein Fernwärme/BHKW: Das Blockheizkraftwerk der Stadtwerke versorgt alle Gebäude mit Wärme. Das Fernwärmenetz wurde von dem Entwickler erstellt und befindet sich in dessen Eigentum. In einem noch anhängigen Gerichtsverfahren möchten einige Eigentümer die Löschung der grunddienstlichen Absicherung des Fernwärmeanschlusses bewirken. Hier werden also bereits rechtliche Schlupflöcher gesucht.

Eine Löschung der Dienstbarkeit wurde allen Eigentümern von Seiten der Stadt im Juni 2014 selbst in Aussicht gestellt. Alle Eigentümer wurden gebeten, ihre Flurstücknummern für die Ausstellung einer Löschungsbewilligung zu nennen. Ende Juli 2014 hat die Stadt dies widerrufen und im gleichen Zuge erläutert, dass sie selbst gegen Verstöße nicht vorgehen wird. Nachbarn, welche sich aufgrund dieser Ankündigung eine alternative Heizungsform haben einbauen lassen, wollen nur Rechtssicherheit für die alternativ betriebenen Heizungen!

SmartGrid: Das Konzept sieht ein eigenes Stromnetz im Baugebiet vor, das in der Lage ist, die im Baugebiet erzeugte Solarenergie zwischen den Haushalten auszutauschen. Es wurde vom Entwickler zwar ein eigenes Stromnetz verlegt, dieses ist allerdings nicht wie vorgesehen in den Besitz der Eigentümer übergegangen, sondern wurde den Stadtwerken übergeben und unterscheidet sich somit nicht vom übrigen Netz.Damit werden alle Aufwendungen des EEG auch auf die Eigentümer umgelegt. Dies war im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen. Aber die Eigentümer haben dies in Kauf genommen, um einen Partner ihres Vertrauens, die Stadtwerke, zu gewinnen. Seitens der Eigentümer wurde das gemeinschaftlich betriebene Stromnetz von Beginn an abgelehnt.

Die Grundstückskaufverträge sehen keinen Erwerb oder Betrieb eines privaten Stromnetzes durch die Eigentümer im Baugebiet vor. Diese Information ist erst im Verlauf der Bauphase aufgefallen, als einige Eigentümer ihren Stromanbieter frei wählen wollten. Erst durch die Übernahme des Stromnetzes durch die Stadtwerke im April 2016 wurde dieses Problem gelöst. Auch die Info, dass in einem Smartgrid keine Einspeisevergütung für eingespeisten Strom erzielt werden kann, wurde erst im Verlauf des Projektes mitgeteilt.

Batteriespeicherung, Elektro-Auto: Vorgesehen war es, dass überschüssiger Strom in Hausbatterien und in Elektro-Autobatterien zwischengespeichert wird. Technisch ist bis heute allerdings die Rückladefähigkeit zwischen Autobatterie und Stromverbrauchern im Haus nicht umsetzbar,entgegen den vertraglichen Zusicherungen von Lieferfirmen. Dem eigentlichen Ziel, den Solarstrom auch für die Mobilität zu nutzen, steht diese Einschränkung allerdings nicht entgegen. Trotzdem wurden erst eine Ladestation und ein Elektro-Auto im Gebiet installiert. Auch die Hausbatterie, die technisch problemlos umsetzbar ist und für die einzelnen Haushalte aufgrund der großen Photovoltaikanlagen auch sinnvoll ist, gibt es erst in 8 Haushalten.

Der Mehrwert der Elektroautos im Konzept war es, dass die Autos auch als Energiequelle für die Häuser dienen sollten. Die Stadt vergisst weiterhin den Denkfehler im Konzept zu erwähnen: es kann gerade kaum Solarstrom für die Mobilität genutzt werden, weil die Autos zu den Zeiten, wo Solarstrom produziert wird, meist bei den Arbeitsstätten stehen und dann zu Hause sind, wenn es dämmrig oder dunkel ist. In diesen Zeiten wird wenig bis kein Solarstrom produziert.

Steuerung und Kapazität: Eine Steuerung des Stromverbrauchs im Einklang von Verbrauch und Erzeugung findet im Baugebiet nicht satt. Da es sich mit dem Stromnetz inzwischen um ein Stadtwerke-Netz handelt, ist dieses Ziel auch nicht mehr umsetzbar. Hinsichtlich hausinterner SmartHome-Anlagen ist auch nur ein Teil der Gebäude entsprechend ausgerüstet.

Leider ist der Baustein „Smarthome“ schon sehr früh vom Projektentwickler als „optional“ erklärt worden, da er diesen nicht liefern konnte.

Zusammenfassend gibt es technische und rechtliche Punkte, die eine Umsetzung des ambitionierten Projektes sehr erschwert haben. Hierunter fallen u. a. die nicht Verfügbarkeit rückladefähiger Ladestationen für das E-Auto auf dem Markt, eine Insellösung mit autarker
Strom- und Wärmeversorgung ist rechtlich gegen die Widerstände der neuen Eigentümer nicht durchsetzbar und eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Neben den o. g. Umsetzungsproblemen haben mangelhafte Kommunikation und Missverständnisse dazu beigetragen, dass zwischen Investor und neuen Eigentümern schon relativ früh im Verfahren das Vertrauensverhältnis zerrüttet war. Beide Seiten haben es nicht verstanden, die im Prozess aufkommenden Schwierigkeiten einvernehmlich zu lösen. Das Kommunikationsproblem hat sicher dazu beigetragen, dass selbst sinnvolle und umsetzbare Energiekonzeptbausteine nicht realisiert wurden.

Wenn im Zeitverlauf Grunddienstbarkeiten ohne das Wissen der Eigentümer auf den Grundstücken durch den Projektentwickler eingetragen werden, die es einem verbieten, auf dem eigenen Grundstück ein Auto mit Verbrennungsmotor zu parken, wenn man nicht gleichzeitig ein Elektroauto mit Ladestation besitzt, dann gibt es de facto kein Vertrauensverhältnis mehr. Wenn die Stadt als Begünstigter in der Folge einer Löschung der Dienstbarkeiten nicht zustimmt, obwohl sich die Inhalte eindeutig nicht mit Inhalten der Kaufverträge decken, ist auch hier das Vertrauensverhältnis zerrüttet!

Seitens der Verwaltung wurde zu sehr darauf vertraut, dass bei einem innovativen Modellprojekt zu erwartende Probleme und zu überwindende Widerstände von den Vertragsparteien im einvernehmlichen Miteinander Lösungen gefunden werden, die dem Erfolg insgesamt dienlich sind. Auch musste die Verwaltung feststellen, dass die rechtliche Absicherung eines derart weitreichenden Konzeptes nicht möglich ist, wenn die Stadt nicht selbst Eigentümerin ist und selbst dann die vielen Einzeleigentümer von Einfamilienhäusern nicht dauerhaft kontrolliert und an das Konzept gebunden werden können (z. B. im Falle von Weiterverkäufen). Zentrales Problem ist hierbei, dass die Konzeptbausteine nicht öffentlich rechtlich, z. B. über einen Bebauungsplan geregelt werden können, sondern nur über Baulasten und Grunddienstbarkeiten oder auch nur vertraglich.

Leider war die Stadt in direkten Gesprächen mit den Eigentümern nie an einer wirklichen Lösung interessiert, sondern wollte nur, dass mindestens alle sichtbaren Bestandteile umgesetzt werden: Photovoltaik & Elektroauto. Aber keiner der Nachbarn war an einer Scheinlösung interessiert, sondern alle an der eigentlichen, der innovativen Gesamtlösung.

Darüber hinaus wird die Verwaltung zukünftig für eine professionelle Kommunikation sorgen.

Warum die Stadt nie bei uns für eine professionelle Kommunikation gesorgt hat, ist fraglich.

 

Bildquelle des Artikelbildes: Rainer Sturm  / pixelio.de

Die drei W’s: wer, was und warum

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