HafenCity Universität untersucht Solardorf in Rechtsgutachten

von | Mai 14, 2018 | 0 Kommentare

In einem Rechtsgutachten der HafenCity Universität wird unter dem Titel „Elektromobilität in urbanen Wohnquartieren“ von Dr. Cathrin Zengerling untersucht, wie Elektromobilität verstärkt in urbane Wohnquartiere integriert werden kann. Der Fokus dabei war die Untersuchung der bestehenden juristischen Regelungen und die Frage, inwiefern damit Grundstückseigentümer verpflichtet werden können, Parkplätze mit Ladeinfrastruktur herzustellen.

Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass sieben potentielle Instrumente ausgemacht wurden, welche dazu genutzt werden könnten, Stellplätze mit Ladeinfrastruktur rechtssicher zu regeln.

 

1: Flächennutzungsplan

Der Flächennutzungsplan kann zur übergeordneten Steuerung dienen. Er entfaltet keine rechtliche Bindungswirkung nach außen, also etwa für einzelne Grundstückseigentümer und ist damit zu grobkörnig für die grundstücksscharfe Planung von Stellplätzen oder Ladeinfrastruktur. Mit Hilfe des Flächennutzungsplans lässt sich jedoch die Detailplanung mittels Bebauungsplan übergeordnet steuern. Bebauungspläne sind gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (sog. Entwicklungsgebot). Praxisbeispiele von Ableitungen elektromobilitätsfördernder Regelungen in Flächennutzungsplänen gibt es bisher nicht.

 

2: Bebauungsplan

Die Regelungen zum Bebauungsplan enthalten keine ausdrückliche oder implizite Berücksichtigung von Elektromobilität. Über unterschiedliche Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB könnte ausgelegt werden, dass die Gemeinde damit die räumliche Verteilung, Herstellungspflicht und Zugänglichkeit von Stellplätzen und Ladeinfrastruktur steuern könnte. In diesem Bereich gibt es jedoch bisher keine erprobten, „gerichtsfesten“ elektromobilitätsfördernden Festsetzungen. Die Überplanung von privaten Flächen wäre hierüber möglich, jedoch muss die Festsetzung, die mit einer gewissen Einschränkung der Eigentumsfreiheit des Grundstückseigentümers einhergeht, insbesondere nach Abwägung aller zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange verhältnismäßig sein. Die Frage wird sein, inwiefern die private Einschränkung verhältnismäßig ist, insbesondere, da es für andere Antriebsformen explizit gegenteilige gerichtliche Entscheidungen gibt. Die Rechtsprechung entschied vor vielen Jahren, dass Tankanlagen zur Eigen- oder Krisenversorgung mit Vergaser- oder Dieselkraftstoff nicht der Wohnnutzung dienen und ihre Festsetzung im Bebauungsplan daher unzulässig sei. Wichtig festzuhalten ist, dass eine Flächenausweisung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB den jeweiligen Grundstückseigentümer nicht verpflichtet, die Fläche tatsächlich mit Ladeinfrastruktur auszustatten. Die Festsetzung hat „nur“ zur Folge, dass die Fläche nicht anderweitig genutzt werden darf.

Im Solardorf Müllerstraße wurde aus den oben genannten Gründen bei der Aufstellung des Bebauungsplans ausdrücklich darauf verzichtet, elektromobilitätsfördernde Maßnahmen festzusetzen. Lediglich die Verpflichtung zur Installation von 25qm Photovoltaik wurde festgeschrieben. Jedoch wurden die Ziele bzw. Teile des für das Plangebiet vorgesehenen Energiekonzepts in der Erläuterung des Bebauungsplans festgeschrieben. Da diese Informationen aber eher informativen als rechtsbindenden Charakter haben, ergibt sich daraus keine weitere Verpflichtung für die Grundstückseigentümer.

 

3: Städtebaulicher Vertrag

Der städtebauliche Vertrag ist ein sehr flexibles Instrument, denn: Es besteht durch die Vertragsfreiheit grundsätzlich ein großer Gestaltungsspielraum. Dadurch kann die Gemeinde projektbezogen und standortspezifisch in einem durch den Vertrag zu bestimmenden Raum, elektromobilitätsfördernde Maßnahmen vereinbaren. Aufgepasst werden muss, da vor allem das Koppelungsverbot und das Erfordernis der Angemessenheit rechtliche Grenzen setzen. Städtebauliche Verträge sind kooperative Verträge: beide Vertragsparteien müssen dem Verhandlungsergebnis zustimmen. Wie weitgehend eine Gemeinde elektromobilitätsfördernde Maßnahmen vereinbaren kann, hängt von der Stärke ihrer Verhandlungsposition im Einzelfall ab. Der Verhandlungsspielraum dürfte umso größer sein, je attraktiver die zu entwickelnden Flächen gelegen sind.

Für die Qualität der Umsetzung ist es wichtig, dass die Vereinbarungen aus einem städtebaulichen Vertrag mit Hilfe von Durchführungsverträgen und ggf. auch einzelnen Regelungen in Grundstückskaufverträgen rechtsverbindlich implementiert werden. Die Regelungen zum Energiekonzept im städtebaulichen Vertrag, welche die Stadt Norderstedt mit dem Investor Schilling Immobilien geregelt hatte, hat diese konkretisiert auf bestimmte technische Komponenten und an die neuen Grundstückseigentümer in den Grundstückskaufverträgen weitergegeben. Eine Gefahr, welche sich aus diesem vertraglichen Konstrukt ergibt, ist, dass ein vertragliches Dreieckskonstrukt entsteht. Die Stadt hat nur Einfluss auf den Investor, der Investor hat nur Einfluss auf die Grundstückskäufer. Sollte sich jedoch wie in unserem Projekt herausstellen, dass verschiedene Regelungen nicht umsetzbar sind, kann der Grundstückskäufer nicht mit dem Investor „neue Regelungen“ finden, das Projekt an die Realität anpassen, da er selbst Verpflichtungen gegenüber der Stadt hat. Die Stadt wiederum kann die Grundstückskäufer nicht aus Regelungen entlassen, da die Grundstückskäufer kein direktes vertragliches Verhältnis mit der Stadt hat. Insbesondere wenn Emotionen im Spiel sind, ist diese vertragliche Situationen nicht dazu geeignet, pragmatische Lösungen zu finden.

 

4: Stellplatzsatzung

Die Stellplatzverordnung ist ein sehr effektives Instrument zur Definition von Regelungen in Bezug auf Stellplätze. Jedoch muss angemerkt werden, dass es darin bisher keine explizite Regelung gibt, die Gemeinden ermächtigt, die technische Ausstattung von Stellplätzen mit Ladeinfrastruktur zu verlangen. Die Stadt Offenbach hat ihre Stellplatzsatzung insbesondere auf §§ 44 Abs. 1 Satz 2 und 81 Abs. 1 Nr. 4 der Hessischen Bauordnung gestützt. Die Satzung ist in dieser Form einzigartig in Deutschland und bisher nicht gerichtlich angegriffen worden. Sie verlangt allerdings auch nicht die Errichtung von Ladesäulen, sondern lediglich, dass Stellplätze mit Stromzuleitungen für das Laden von Elektrofahrzeugen versehen werden. Da der § 81 Abs. 1 Nr. 4 HessBauO Gemeinden ausdrücklich ermächtigt, die „Ausstattung“ von Stellplätzen zu regulieren, wird in dem Rechtsgutachten geschlussfolgert, dass sehr gute Gründe dafür sprechen, dass die Satzungskompetenz der Gemeinden auch die technische Ausstattung von Stellplätzen mit Ladeinfrastruktur umfasst. Es gilt aber festzuhalten: mangels ausdrücklicher Regelung, gefestigter Rechtsprechung oder gefestigter Literaturmeinung verbleibt aber eine Rechtsunsicherheit. Es gilt: Stellplatzsatzungen, die Inhalte regeln, die von der Ermächtigungsgrundlage nicht erfasst sind, sind rechtswidrig. Auch sollte darauf hingewiesen werden, dass die Verankerung einer Herstellungspflicht für Stellplätze mit Ladeinfrastruktur in einer Stellplatzsatzung nicht darüber hinweg hilft, dass die Errichtung im Einzelfall bauplanungsrechtlich zulässig sein muss.

Im Solardorf Müllerstraße kommt die Stellplatzverordnung des Landes Schleswig-Holstein zur Anwendung. In dieser ist nichts spezifisches zur Elektromobilität geregelt, sodass es im Projekt keine Regelungen gab, welche aus der Stellplatzverordnung abgeleitet wurden.

 

5: Garagenverordnung

Die Garagenverordnung kann ein effektives Instrument sein, um Eigentümer zu verpflichten, in Garagen Stellplätze mit Ladeinfrastruktur zu errichten. In Kombination mit einem städtebaulichen Vertrag lassen sich bei der Planung Vereinbarungen über den Bau von Sammelgaragen mit den Vorgaben der Garagenverordnung kombinieren. So führt eine Vereinbarung über den Bau von Sammelgaragen dazu, dass ein Teil der Stellplätze mit Ladeinfrastruktur errichtet werden muss.

Im Solardorf Müllerstraße, geprägt durch Einzel- bzw. Doppelhausbebauung, ist eine solche Regelung nicht zur Anwendung gekommen.

 

6: Grundstücksausschreibungen

Grundstücksausschreibungen sind ein flexibles Instrument, um lokal angepasste, umfassende Mobilitätskonzepte individuell mit detaillierten Vorgaben zu regeln. Voraussetzung ist jedoch, dass die zu bebauenden Flächen im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Auch hier gilt wieder: je attraktiver die Lage eines Grundstücks ist, desto höhere Anforderungen lassen sich wirtschaftlich auf diesem Wege durchsetzen. Vorzugsweise wird das Instrument vor allem im Neubau mit Hilfe von Ausschreibungsverfahren integriert.

Im Solardorf Müllerstraße hat die Stadt Norderstedt dieses Instrument genutzt, um auf den im Besitz des Investors Schilling Immobilien befindlichen Grundstücken Regelungen wie z.B. den Anschlusszwang an das nahegelegene städtische Blockheizkraftwerk zu regeln. Die Stadt Norderstedt besaß dafür ein Grundstück, welches zum Plangebiet gehörte. Um die Idee des Solardorfs umsetzen können, war die Fläche erforderlich, sodass bei dem Grundstücksverkauf an den Investor die Regelungen, welche auf den öffentlichen Flächen lasteten, auf die privaten Flächen übernommen werden mussten.

 

7: Grundstückskaufverträge

Grundstückskaufverträge sind ein sehr flexibles Instrument, denn: Es besteht durch die Vertragsfreiheit grundsätzlich ein großer Gestaltungsspielraum. Dadurch kann die Gemeinde projektbezogen und standortspezifisch in einem durch den Vertrag zu bestimmenden Raum, elektromobilitätsfördernde Maßnahmen mit den Grundstückseigentümern vereinbaren. Aufgepasst werden muss, da vor allem das Koppelungsverbot und das Erfordernis der Angemessenheit rechtliche Grenzen setzen. Das Koppelungsverbot ist ein Begriff aus dem Vertragsrecht, der besagt, dass eine Verbindung zweier Vertragsleistungen zum Schutze einer Vertragspartei oder der Allgemeinheit gesetzlich untersagt ist. Es darf also nicht direkt geregelt werden, dass z.B. eine Ladesäule bei einem bestimmten Händler bezogen werden muss. Aus möglichen Regelungen im Grundstückskaufvertrag können sich auch dingliche Sicherungen wie Grunddienstbarkeiten ableiten. Wenn grundlegende Verpflichtungen aus dem städtebaulichen Vertrag an eine ausführende / abwickelte Firma übertragen wurden, muss der Vertragspartner eines Grundstückskäufers nicht zwingend die Gemeinde sein.

Grundsätzlich zeigen die Erfahrungen im Solardorf Müllerstraße, dass über die Grundstückskaufverträge sehr viel geregelt werden kann. So wurde unter dem Vertragspunkt „Energiepaket“ recht detailliert vereinbart, was zusätzlich zum Grundstück vom Käufer erworben werden sollte um die geplante energieautarke Siedlung zu erreichen. Absurd wurde es jedoch, als aus folgender notariell beurkundeten Regelung …

Der jeweilige Eigentümer ist verpflichtet, solange er Eigentümer des vorstehend näher bezeichneten Grundbesitzes ist, (mindestens) einen Personenkraftwagen mit Elektroantrieb käuflich zu erwerben / oder zu leasen / oder zu mieten /, diesen zu nutzen und fachgerecht zu warten und Instand halten zu lassen. Sollte das Fahrzeug aufgrund eines irreparablen Defekts oder Verkehrsunfalls oder auch altersbedingt nicht mehr funktionsfähig hergestellt werden können, verpflichtet sich der Erwerber, diesen durch einen neuen Pkw mit Elektroantrieb zu ersetzen. Der durch die unter Ziff. 1 näher bezeichnete Photovoltaikanlage erzeugte Strom soll auch dazu dienen, die Batterien des / der vorgenannten Fahrzeug (e/es) aufzuladen.

… aufgrund der Nichtvereinbarkeit mit geltendem Recht (bewegliche Dinge sind nicht dinglich auf einem Grundstück zu sichern) vom Notar ohne Rücksprache oder Information folgende Regelung gewählt wurde …

Dem Grundstückseigentümer ist es untersagt, auf dem Grundstück Kraftfahrzeuge aller Art abzustellen, wenn er nicht zumindest einen Pkw mit Elektroantrieb besitzt, der aus der auf dem Grundstück befindlichen Ladestation aufgeladen wird.

Aus unseren Erfahrungen empfehlen wir, nicht nur den Grundstückskäufer Verpflichtungen aufzuerlegen, sondern auch zu regeln, welcher Anspruch entsteht, wenn die Gemeinde oder ein Investor nach eigenem Ermessen grundsätzliche Bestandteile aus einem Projekt / Konzept entfernen (Smartgrid, Smarthome, Elektroauto). Ein solcher Grundstücksvertrag darf nicht nur eine der zwei Vertragspartner ist die Pflicht nehmen, insbesondere wenn sich aus dem Vertrag weitreichende Verpflichtungen zum Kauf und Einbau von innovativen technischen Bausteinen ergeben, welche nur in Kombination einen Sinn ergeben.

 

Ergebnis des Rechtsgutachtens in Bezug auf das Solardorf Müllerstraße

In dem Rechtsgutachten wurde nüchtern festgestellt, dass im Solardorf Müllerstraße Regelungen über den städtebaulichen Vertrag, den Grundstückskaufvertrag und daraus abgeleitet als dingliche Sicherung auf den Grundstücken vereinbart wurden. Die enthaltenen Vereinbarungen enthielten Regelungen zur Elektromobilität (Verpflichtung zum Elektroauto), zum Stellplatz inkl. Ausstattung (Wallbox), sowie die private Nutzung auf privatem Grundstück im Neubau.

Eingebettet war das Solardorf Müllerstraße in einen Maßnahmenkatolog der Stadt Norderstedt mit dem Ziel, 2040 eine klimaneutrale Stadt zu werden. Es lag kein Mobilitätskonzept zugrunde.

Die festgestellte Praxiserfahrung ist, dass die innovativen Techniken, welche im Solardorf Müllerstraße kombiniert werden sollten, eine große Herausforderung darstellten. Grund war, dass die Bestandteile trotz vertraglicher Regelungen nicht zur Verfügung standen. Insbesondere die rückladefähigen Elektrofahrzeuge werden genannt. Es wurde zudem festgestellt, dass die Vertragsinhalte klar vermittelt werden müssten. Es wird impliziert, dass die Grundstückskäufer die umfangreichen Verpflichtungen z.B. zum Kauf eines Elektroautos nicht klar vermittelt bekommen hätten. Ursache sei, dass die Grundstückskaufverträge zum Soladorf Müllerstraße sehr umfangreich ausfielen. Darüber hinaus wird beschrieben, dass die dingliche Sicherung nicht unproblematisch gewesen sei.

Im Großen und Ganzen können wir der Untersuchung und den festgestellten Herausforderungen zustimmen. Es bleibt der ganz klare Hinweis: ein solches Projekt wie das Solardorf Müllerstraße ist nur mit einer fachkompetenten Projektleitung und einer offenen und transparenzen Kommunikation möglich. Dass sich gerade in etablierten Rechtsgebieten bei neuen Fragestellungen Reibungen ergeben, ist erwartbar. Die Beantwortung solcher Fragen und die Ableitung von Lösungen lässt sich aber nur im direkten und vertrauensvollen Dialog lösen und nicht mit Lügen und Kommunikation über Rechtsanwälte. Besonders schade ist, wenn man als Beteiligter nicht mehr gefragt wird und einseitig die Eckdaten des Projektes so verändert werden, dass man feststellen muss, dass die ursprüngliche Idee des Projektes nicht mehr existent ist und der Rest nur noch dazu dienen soll, Busladungen von interessierten Bürgermeistern eine Realität vorzugaukeln, die leider nie Realität geworden ist.

Die drei W’s: wer, was und warum

Hallo, wir haben 2015 ein Fertighaus gebaut und uns dazu zu dem einen oder anderen Punkt umfassend informiert. Die Ergebnisse unserer Recherchen findest Du unter dem Oberpunkt „Wissenswertes“. Sobald uns ein Thema auch zukünftig interessiert, werden wir hierüber berichten. Rund ums Bauen, Heimwerken, Wohnen und Gärtnern kannst Du hier viele Anregungen und Tipps finden. Viel Spaß beim Stöbern und Informieren!

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